Ein Pärchen befand sich einst auf dem Weg durch die Berge Inunaki. Ihr Ziel war von Miyawaka aus nach Hisayama zu gelangen, wofür sie damals in Richtung des Inuaki-Tunnels fuhren. Kurz bevor sie diesen jedoch erreichten, hörten sie ein seltsames Klacken. Irgendwas musste mit dem Motor nicht in Ordnung sein, und als sie aus dem Tunnel wieder herauskamen, gab das Auto den Geist auf.
Verlassen standen sie in der Gegend und mussten sich entscheiden, was sie am besten tun sollten. Damals gab es noch keine Handys, und so entschieden sie einem Pfad auf der rechten Seite zu folgen, der weiter hinauf in die Berge führte. Sie hofften, dort würden sie jemanden finden, der ihnen helfen konnte.
Bald schon fanden sie ein Schild, auf dem geschrieben stand: »Ab hier gilt das japanische Gesetz nicht mehr.« Weitere Warnungen wie »Betreten auf eigene Gefahr« folgten und der Weg wurde zunehmend schwieriger. Trotzdem kämpften sie sich voran und erreichten tatsächlich ein Dorf inmitten des Waldes.
Es schien verlassen. Eine gespenstische Stille hatte die Siedlung erobert, Häuser waren baufällig und weder Mensch noch Tier waren zu entdecken. Auch als sie das Örtchen weiter erkundeten, fanden sie keinerlei Anzeichen von Leben. Schließlich gaben sie auf und wollten zurück.
Weit kamen sie jedoch nicht, denn vor ihnen tauchte ein Mann auf. Er grinste, musterte sie und rannte mit unglaublicher Schnelligkeit heran. In der Hand hielt er eine Sichel und zerschnitt den jungen Mann auf der Stelle. Fassungslos starrte seine Freundin das Geschehen an und versuchte zu flüchten. Sie lief, schrie um Hilfe.
Doch dann stolperte sie und fiel der Länge nach hin. Noch während sie darum kämpfte, wieder auf die Beine zu kommen, sah sie in eines der Häuser und erstarrte: es war voll mit Leichen, die sich darin stapelten – blutigen, verstümmelten Leichen.
Das Paar wurde nie mehr gesehen.
Legenden über Legenden
So erzählt man sich die Legende des Dorfes Inunaki, deren Mythos angeblich mit einem Brief begann, den ein Unbekannter 1999 an Nippon TV schickte. Darin beschrieb der Verfasser den schmalen Weg, der leicht zu übersehen war und zum verlassenen Dorf führen sollte, das außerhalb Japans Gesetze existierte. Ebenso schreibt er von dem Paar und den Bewohnern. Letztere sollen dem Kannibalismus anheimgefallen sein, sich durch Inzest vermehren und große Stärke und Geschwindigkeit entwickelt haben, in ihrem abgeschotteten Lebensstil. Niemand, der jemals diese Siedlung erreicht hat, soll in der Lage gewesen sein, aus dieser wieder zu entkommen. Und so rankten sich um die Ortschaft, wie auch um die gesamte, Gegend etliche Erzählungen, angefangen bei den Bergen, die den gleichen Namen wie das Dorf tragen.
Das Heulen
Die Bezeichnung Inunaki (犬鳴) setzt sich aus Inu (Hund) und Naki (Heulen, Jammern) zusammen – also das Heulen des Hundes. Wie es zu dieser Benennung kam, versuchen verschiedene Mythen zu erklären:
In einer Version gab es einst einen Jäger mit seinem Hund, der in den Wäldern unterwegs war. Doch das Tier hatte immer wieder gebellt und somit die Beute ständig verjagt, bis der Mann von Wut gepackt seinen Begleiter erschlug. Zu spät bemerkte er, dass sein treuer Gefährte ihn nur hatte warnen wollen. Er selbst und seine gesamte Familie wurden so getötet.
Wovon ist von Erzählung zu Erzählung unterschiedlich: Mal ist es ein schwarzer Drache, mal eine Schlange, dann wieder Soldaten.
Manchmal überlebte der Jäger auch und beschloss, von nun an reuevoll als Mönch zu leben. Andere Geschichten sprechen davon, dass die Hunde in der Gegend sich stets unwohl fühlen und zu jaulen anfangen.
Eine dritte Erklärung versucht die Legende einer jungen Frau zu liefern: Diese geriet in den Bergen einst in Gefahr und rief verzweifelt um Hilfe. Doch ihre Schreie wurden vom Wind so verzerrt, dass sie wie das Heulen eines Hundes klangen.
Wer meint, die Legenden wären hiermit zu Ende, hat sich getäuscht. Auch der Inunaki Tunnel wartet mit Schauergeschichten auf, von denen manche sogar belegt werden konnten.
Darunter fand sich der tragische Fall des Arbeiters Umeyama Kōichi. Er geriet einst auf dem Weg nach Hause an eine Bande, die ihn aus seinem Wagen zerrte. Misshandlungen und Prügel reichten den Tätern nicht, sie zündeten ihr Opfer auch noch an. Und bis heute heißt es seine Schreie wären im Tunnel zu hören – wieder und wieder.
Die Erzählungen sind zahllos: Leichenfunde, geisterhafte Stimmen und andere unheimliche Laute soll es gegeben haben und bis heute noch geben.
Zur Sicherheit und um Touristen und Neugierige fernzuhalten, wurde der Tunnel verbarrikadiert.
Und was ist mit dem Dorf?
Tatsächlich gibt es ein belegtes Inunaki von 1691 bis 1889. Doch dieses Dorf verschmolz mit dem nahen Yoshikawa, das über die Zeit ebenfalls mit weiteren Ortschaften fusionierte. So ist das heutige noch existente Inunaki ein Teil der Stadt Miyawaka. Es hat jedoch außer dem Namen nichts mit dem Dorf in den Schauergeschichten gemein.
Weitere Legenden legen die Existenz des unheimlichen Inunaki auf 1603 bis 1868 fest. Es heißt, das Dorf wurde von sämtlichen Landkarten getilgt, als es von einer schweren Seuche heimgesucht wurde. Diskriminiert und isoliert vom eigenen Land erschufen sich die Bewohner ihre eigene Gesetzte und lebten abgeschottet für sich. Kein Funknetz und ähnliches reicht heute bis in diese Gegend und wer das Pech hat dort zu landen, dem ist der Tod gewiss.
Fallen liegen überall versteckt und es ist fast unmöglich, allen auszuweichen. Gerät ein Opfer hinein, werden die Dorfbewohner alarmiert und rücken mit Äxten und Sicheln heran.
Einmal betreten gibt es keine Möglichkeit zur Rückkehr oder Hilfe – wer hier her gelangt, ist auf sich allein gestellt.
Mit den Legenden nicht genug ist eine Weitere ebenfalls noch sehr verbreitet. Sie spricht von einem einst real existierenden Örtchen, das heute durch den Bau eines Dammes unter Wasser steht.
So erzählt man von einem Mann, der damals auf seinem Bike durch Japan reiste. Eine Reifenpanne am Abend zwang ihn anzuhalten. Doch leider fand er keine Häuser in der Nähe. Eine alte Frau tauchte jedoch auf, bot ihm Unterschlupf bei sich und so folgte der Reisende der Einladung nur zu gern. Auf dem Weg zu sich erklärte die Dame, ihr Haus stünde in »Inunaki Mura«, dem Hundebellen-Dorf.
Zielstrebig führte sie den Ahnungslosen durch einen kleinen, äußerst gruseligen Tunnel, so eng, dass er zweifelte, ein Auto könnte ihn passieren. Er selbst gelangte so in ein schäbiges Dörfchen. Auffällig waren die abgenutzten Plakate, die gegen einen Dammbau protestierten, und die offenkundig mürrischen Gesichter der Einwohner.
Als die alte Frau erklärte, dass viele hier feindselig aufgrund des Dammes waren, wurde dem Besucher immer unwohler. Er entschied sich um und floh aus der Ortschaft, lief Hals über Kopf zurück in den Tunnel.
Dort angekommen fühlte er ständig eine Präsenz hinter sich, als folgte ihm jemand, immer dicht auf den Fersen. Doch jedes Mal, wenn er zurücksah, war niemand zu sehen. Von der unsichtbaren Bedrohung weiter angespornt, beschleunigte er noch mehr. Er wollte um jeden Preis von hier verschwinden und plötzlich, war die Alte schlagartig neben ihm. Trotz ihrer betagten Knochen hatte sie ihn so schnell einholen können. Und mit einer Stimme wie ein rostiges Reibeisen flüsterte sie ihm unheimliches ins Ohr.
Panisch schrie der junge Mann auf und stürzte los, stolperte fast und hastete in wilder Furcht weiter. Aber sie blieb ihm auf den Fersen, er spürte es genau. Was er auch tun würde, er konnte ihr einfach nicht entkommen. Vom Mut der Verzweiflung gepackt drehte er sich also doch um und wollte sich seiner Verfolgerin entgegenstellen.
Die alte Frau kam wie tollwütig auf ihn hinzu gerannt. Das Gesicht verzerrt, wirkte sie wie ein wilder Dämon, die ihn mit bloßen Händen zerfetzen wollte. Doch sie erreichte ihn nie.
Wie aus dem Nichts legte sich ihr eine blassbläuliche Hand auf die Schulter und zerrte sie zurück. Keifend und kreischend wurde sie aus seinem Blickfeld gezogen und der Mann kroch erledigt aus dem Tunnel.
Man sagt, als der Damm einst gebaut wurde, gab es skrupellose Geschäftsmänner, die veranlassten, dass die Hütten der Einwohner, die sich weigerten zu verkaufen und auszuziehen einfach verbarrikadiert wurden.
Als der Damm fertig gestellt worden war, hatte man sie in ihren eigenen Häusern ertränkt und ihre armen Seelen suchen bis heute das Gebiet heim.
Nachwort von Ellen
Mit diesen Legenden bietet das Dorf viele Möglichkeiten und hat etliche Spiele, Filme und Mangas inspiriert.
Wer sich einmal dem Grauen stellen möchte, kann dies in dem recht neuen Film »Howling Village« versuchen.
Wer gern etwas mehr Kontrolle hat, sollte sich an Spiele heranwagen wie »Project Zero 2 – Crimson Butterfly« oder »Inunaki Tunnel«, auch von »Forbidden Siren« sagt man, es habe das Dorf weitläufig als Vorlage verwendet.
In Mangas oder Animes findet sich häufiger ein Ort oder Zustand, wie er in dem Dorf herrscht. Hierbei empfehle ich vor allem den Manga »Ousama Game: Origin« (bzw. »Ousama Game: Kigen«). Es spielt in einem Dorf Namen Yonaki, in dem eine seltsame Art von »Seuche« ihren Anfang nimmt. Und als letztes empfehle ich »Mayoiga« oder »The lost village«. Ebenfalls eine sehr spannende Serie, aber Vorsicht: Nichts für schwache Gemüter, sei bei allen Filmen, Serien und Spielen dazu gesagt.
Wenn ihr noch mehr kennt, was auf der Legende um das Dorf Inunaki basiert, schreibt’s doch gern in die Kommentare.
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